5 Kriminaltherapie & Co. 

5.1 Bedarf und Versorgung

Psychosoziale Behandlungsmaßnahmen, die JSG unterstützen sollen, nicht mehr straffällig zu werden, sind ein zentraler Bestandteil des Jugendstrafvollzugs. Aus kriminologischer Sicht sollten dabei die von Bonta & Andrews (2024) formulierten RNR-Prinzipien befolgt werden, damit Maßnahmen wirksam(er) sind:

  • Risk: Straftäter mit höherem Rückfallrisiko sollten mehr Unterstützung erhalten als Straftäter mit niedrigerem Risiko.
  • Needs: Behandlungsmaßnahmen sollten die individuellen kriminogenen Faktoren der Straftäter adressieren (statt nach dem „Gießkannenprinzip“ verteilt zu werden).
  • Responsivity: Maßnahmen sollten individuelle Lernweisen und Ansprechbarkeit berücksichtigen.

Im Folgenden wird für verschiedene Kategorien von Behandlungsmaßnahmen beschrieben, wie hoch der Bedarf unter den JSG ist, wie viele der JSG mit Bedarf eine Maßnahme beginnen, wie viele sie abschließen (nicht abbrechen) und wie die Zielerreichung eingeschätzt wird.

Was unter den einzelnen Kategorien zu verstehen ist, wird in einer Ausfüllanleitung definiert (Länderübergreifende Arbeitsgruppe der Kriminologischen Dienste, 2014). Diese Definitionen finden sich im Folgenden jeweils unter den Überschriften.

Bei der Interpretation der Ergebnisse ist zu beachten, dass der Bedarf an Behandlungsmaßnahmen von den Fachdiensten unabhängig von der Realisierbarkeit eingeschätzt werden soll. Dass Bedarfe einiger JSG nicht durch Teilnahme an einer entsprechenden Behandlungsmaßnahmen gedeckt werden, kann ganz verschiedene Gründe haben: solche, die eher im Gestaltungsbereich der JSA liegen (z. B. Maßnahme wird nicht angeboten), solche, die eher auf Merkmale des JSG zurückgehen (z. B. fehlende Mitwirkung), aber auch solche, die durch Rahmenbedingungen entstehen (z. B. kurze Haftzeit). Die Gründe dafür, dass Maßnahmen nicht begonnen oder abgebrochen werden, sind in Abschnitt 5.2 dargestellt.

5.1.1 Soziale Trainingsmaßnahme

Soziale Trainingsmaßnahmen „haben die Zielsetzung, Handlungskompetenzen und Verhaltensweisen der Gefangenen in Alltagssituationen zu verbessern. Die Gefangenen erhalten die Möglichkeit, sich Wissen und Fähigkeiten anzueignen, um Einstellungen und Verhalten zu verändern und Probleme in unterschiedlichen Lebensbereichen besser bewältigen zu können (z. B. Soziales Training nach Otto, R&R-Programm, …).“ (Länderübergreifende Arbeitsgruppe der Kriminologischen Dienste, 2014)

Soziale Trainingsmaßnahme: Bedarf, Beginn, Abbruch, Zielerreichung (N = 478)

Abbildung 5.1: Soziale Trainingsmaßnahme: Bedarf, Beginn, Abbruch, Zielerreichung (N = 478)

Ca. drei Viertel der JSG haben laut fachdienstlicher Einschätzung einen Bedarf an einem Sozialen Training (Abbildung 5.1). Über zwei Drittel der JSG mit Bedarf beginnen eine solche Maßnahme und fast alle, die sie beginnen, beenden sie, ohne abzubrechen. Bei 78 % dieser JSG wird eingeschätzt, dass die Maßnahmeziele „annähernd“ oder „vollständig“ erreicht wurden.

Soziale Trainingsmaßnahme: Bedarf, Beginn, Abbruch, Zielerreichung über die Zeit (N = 1434)

Abbildung 5.2: Soziale Trainingsmaßnahme: Bedarf, Beginn, Abbruch, Zielerreichung über die Zeit (N = 1434)

Soziale Trainingsmaßnahme: Anteile von Bedarf, Beginn, Abbruch, Zielerreichung über die Zeit (N = 1434)

Abbildung 5.3: Soziale Trainingsmaßnahme: Anteile von Bedarf, Beginn, Abbruch, Zielerreichung über die Zeit (N = 1434)

Abbildung 5.2 zeigt die Absolutzahlen, die in die Berechnung der in Abbildung 5.3 dargestellten Anteile – jeweils bezogen auf die übergeordnete Gruppe (vgl. Abbildung 5.1) – eingehen. Wie an den Absolutzahlen zu erkennen ist, werden diese Anteile teilweise anhand von vergleichsweise kleinen Gruppengrößen (unter 50 JSG im Jahr) berechnet, weshalb zufällige Schwankungen stärker ins Gewicht fallen können.

Die Belegung der JSA änderte sich über die Jahre sehr und damit die Anzahl der Austritte aus dem Jugendstrafvollzug.

Der Anteil der JSG, der laut fachdienstlicher Einschätzung einen Bedarf an einer Sozialen Trainingsmaßnahme hat, nimmt über die Jahre tendenziell zu. Unter den JSG mit Bedarf schwankt der Anteil derjenigen, die eine solche Maßnahme begonnen haben, ohne klare Tendenz. In den Jahren 2020, 2021 und 2024 wurde die Zielerreichung etwas weniger positiv eingeschätzt als in anderen Jahren.

5.1.2 Anti-Gewalt-/Anti-Aggressionstraining

„Ein Anti-Gewalttraining, Anti-Aggressivitäts- oder Antiaggressionstraining hat die Zielsetzung, unter Anwendung von theoretischen, praktischen und körperlichen Übungen aggressiven Verhaltensweisen und/oder Gewaltbereitschaft im Alltag vorzubeugen bzw. deren Abbau zu erreichen.“ (Länderübergreifende Arbeitsgruppe der Kriminologischen Dienste, 2014)

Anti-Gewalt-/Anti-Aggressionstraining: Bedarf, Beginn, Abbruch, Zielerreichung (N = 478)

Abbildung 5.4: Anti-Gewalt-/Anti-Aggressionstraining: Bedarf, Beginn, Abbruch, Zielerreichung (N = 478)

Wie Abbildung 5.4 zeigt, weisen etwas mehr als die Hälfte der JSG einen Bedarf an einer Anti-Gewalt-/Anti-Aggressionsmaßnahme auf. Zwei Drittel der JSG mit Bedarf beginnen eine Maßnahme und über 90 % dieser JSG brechen sie nicht ab. Auch die Einschätzung der Zielerreichung ist ähnlich hoch wie bei Sozialen Trainingsmaßnahmen.

Anti-Gewalt-/Anti-Aggressionstraining: Bedarf, Beginn, Abbruch, Zielerreichung über die Zeit (N = 1434)

Abbildung 5.5: Anti-Gewalt-/Anti-Aggressionstraining: Bedarf, Beginn, Abbruch, Zielerreichung über die Zeit (N = 1434)

Anti-Gewalt-/Anti-Aggressionstraining: Anteile von Bedarf, Beginn, Abbruch, Zielerreichung über die Zeit (N = 1434)

Abbildung 5.6: Anti-Gewalt-/Anti-Aggressionstraining: Anteile von Bedarf, Beginn, Abbruch, Zielerreichung über die Zeit (N = 1434)

Schon an den Absolutzahlen in Abbildung 5.5 wird deutlich, dass die Einschätzung eines Bedarfs im Verhältnis zu der Anzahl der Austritte über die Zeit steigt.

Abbildung 5.6 zeigt, dass neben dem Anteil der JSG mit Bedarf an einer Anti-Gewalt-/Anti-Aggressionsmaßnahme auch der Anteil der JSG, die eine solche Maßnahme begonnen haben, deutlich steigt. Insbesondere seit 2016 ist die Versorgung besser, was ein Effekt der Einführung der Modularen Behandlung (siehe Abschnitt 5.5) sein kann.

5.1.3 Andere delikt-/problembezogene Behandlungsmaßnahmen

Andere delikt-/problembezogene Behandlungsmaßnahmen „liegen vor, wenn der Fokus auf der Auseinandersetzung der Gefangenen mit den begangenen Straftaten und ihren Folgen liegt, z. B. Gesprächsgruppen zur Straftatbearbeitung, BPS, TOA, Maßnahmen zur Steigerung der Opferempathie. Dazu gehören auch fachdienstliche Einzel-/ Gruppengesprächsreihen.“ (Länderübergreifende Arbeitsgruppe der Kriminologischen Dienste, 2014)

Andere delikt-/problembezogene Behandlungsmaßnahmen: Bedarf, Beginn, Abbruch, Zielerreichung (N = 478)

Abbildung 5.7: Andere delikt-/problembezogene Behandlungsmaßnahmen: Bedarf, Beginn, Abbruch, Zielerreichung (N = 478)

Fast alle JSG haben laut fachdienstlicher Einschätzung einen Bedarf an einer anderen delikt-/problembezogenen Behandlungsmaßnahme (Abbildung 5.7). Für verschiedene JSG können dies inhaltlich ganz verschiedene Maßnahmen sein. Hier beginnen mehr JSG mit Bedarf eine Maßnahme als bei Sozialer Trainingsmaßnahme oder Anti-Gewalt-/Anti-Aggressionstraining. Abbruch und Zielerreichung sind wieder sehr ähnlich wie bei den anderen Maßnahmekategorien.

Andere delikt-/problembezogene Behandlungsmaßnahmen: Bedarf, Beginn, Abbruch, Zielerreichung über die Zeit (N = 1434)

Abbildung 5.8: Andere delikt-/problembezogene Behandlungsmaßnahmen: Bedarf, Beginn, Abbruch, Zielerreichung über die Zeit (N = 1434)

Andere delikt-/problembezogene Behandlungsmaßnahmen: Anteile von Bedarf, Beginn, Abbruch, Zielerreichung über die Zeit (N = 1434)

Abbildung 5.9: Andere delikt-/problembezogene Behandlungsmaßnahmen: Anteile von Bedarf, Beginn, Abbruch, Zielerreichung über die Zeit (N = 1434)

Durch die relativ hohe Bedarfsdeckung laufen die Linien in Abbildung 5.8 fast parallel.

Klare Tendenzen sind in Abbildung 5.9 nicht erkennbar. In den letzten Jahren beginnen etwas mehr JSG mit Bedarf eine andere delikt-/problembezogene Behandlungsmaßnahmen. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Versorgung für jeden Bedarf hoch ist; vielmehr erlauben die Daten nur den Schluss, dass bei individuell mehreren Bedarfen mindestens eine Maßnahme begonnen wurde. Die Zielerreichung wurde 2024 deutlich geringer eingeschätzt als in den Jahren zuvor.

5.1.4 Schuldnerberatung/Schuldenregulierung

Schuldnerberatung/Schuldenregulierung „hat die Zielsetzung, die wirtschaftlichen Verhältnisse des Gefangenen neu zu ordnen und zu stabilisieren sowie die Selbsthilfefähigkeit durch Bewusstmachung der Ursachen der Überschuldung zu stärken. Die Schuldnerberatung/Schuldenregulierung erfolgt durch speziell geschulte/ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“ (Länderübergreifende Arbeitsgruppe der Kriminologischen Dienste, 2014)

Schuldnerberatung/Schuldenregulierung: Bedarf, Beginn, Abbruch, Zielerreichung (N = 478)

Abbildung 5.10: Schuldnerberatung/Schuldenregulierung: Bedarf, Beginn, Abbruch, Zielerreichung (N = 478)

Abbildung 5.10 zeigt, dass etwa 40 % der JSG einen Bedarf an Schuldnerberatung/Schuldenregulierung haben. Die meisten JSG mit Bedarf beginnen eine solche Maßnahme und schließen sie auch ab. Die Zielerreichung wird seltener positiv eingeschätzt als bei anderen Maßnahmekategorien; allerdings ist hier die Antwort „keine Angabe möglich“ häufiger – vermutlich, weil die Maßnahme in der Regel von externen Mitarbeitenden durchgeführt wird.

Schuldnerberatung/Schuldenregulierung: Bedarf, Beginn, Abbruch, Zielerreichung über die Zeit (N = 1434)

Abbildung 5.11: Schuldnerberatung/Schuldenregulierung: Bedarf, Beginn, Abbruch, Zielerreichung über die Zeit (N = 1434)

Schuldnerberatung/Schuldenregulierung: Anteile von Bedarf, Beginn, Abbruch, Zielerreichung über die Zeit (N = 1434)

Abbildung 5.12: Schuldnerberatung/Schuldenregulierung: Anteile von Bedarf, Beginn, Abbruch, Zielerreichung über die Zeit (N = 1434)

Die Absolutzahlen in Abbildung 5.11 zeigen, dass in den letzten Jahren jeweils weniger als 50 JSG einen Bedarf an Schuldnerberatung/Schuldenregulierung hatten. Die Anteile in einzelnen Jahren (Abbildung 5.12) sind darum ungenauere Schätzungen.

Der Anteil der JSG, für die ein Bedarf an Schuldnerberatung/Schuldenregulierung eingeschätzt wurde, sank zwischen 2015 und 2019 deutlich und steigt seitdem wieder etwas. Die anderen Linien lassen sich wegen der geringen Grundgesamtheit kaum interpretieren.

5.1.5 Sozialtherapeutische Behandlung

Sozialtherapeutische Behandlung „meint ausschließlich die Unterbringung von Gefangenen in einer sozialtherapeutischen Einrichtung/Abteilung. Maßnahmen zur Vorbereitung einer sozialtherapeutischen Behandlung fallen nicht darunter.“ (Länderübergreifende Arbeitsgruppe der Kriminologischen Dienste, 2014)

Sozialtherapeutische Behandlung: Bedarf, Beginn, Abbruch, Zielerreichung (N = 478)

Abbildung 5.13: Sozialtherapeutische Behandlung: Bedarf, Beginn, Abbruch, Zielerreichung (N = 478)

Von den JSG mit Bedarf an einer Sozialtherapeutischen Behandlung (15 % aller JSG) haben nur sehr wenige eine solche begonnen (Abbildung 5.13). Dies liegt sicher daran, dass in den betrachteten Jahren bis 2023 in der JSA keine Sozialtherapeutische Abteilung existierte. 2024 wurde eine solche wieder eingerichtet.

Sozialtherapeutische Behandlung: Bedarf, Beginn, Abbruch, Zielerreichung über die Zeit (N = 1434)

Abbildung 5.14: Sozialtherapeutische Behandlung: Bedarf, Beginn, Abbruch, Zielerreichung über die Zeit (N = 1434)

Sozialtherapeutische Behandlung: Anteile von Bedarf, Beginn, Abbruch, Zielerreichung über die Zeit (N = 1434)

Abbildung 5.15: Sozialtherapeutische Behandlung: Anteile von Bedarf, Beginn, Abbruch, Zielerreichung über die Zeit (N = 1434)

Auch hier liegen für die einzelnen Jahre nur sehr geringe Fallzahlen von JSG mit Bedarf vor (Abbildung 5.14).

Die prozentuale Häufigkeit, mit der ein Bedarf an Sozialtherapeutischer Behandlung eingeschätzt wird, zeigt keine klare Tendenz (Abbildung 5.15). (Andere Linien sind wegen geringer Anzahl und der Unmöglichkeit der Berechnung von Anteilen bei 0-Werten nicht eingezeichnet.)

5.1.6 Psychotherapeutische Behandlungsmaßnahmen

Psychotherapeutische Behandlungsmaßnahmen „haben die Zielsetzung, Verhaltensstörungen und Leidenszustände der Gefangenen mit Hilfe anerkannter psychotherapeutischer Verfahren zu behandeln. Die psychotherapeutische Behandlung erfolgt nur durch Fachleute, die nach dem Psychotherapeutengesetz zusätzlich zu ihrem Grundberuf (Psychologe, Arzt, Pädagoge, Sozialpädagoge) eine psychotherapeutische Zusatzausbildung abgeschlossen haben und eine Approbation besitzen.“ (Länderübergreifende Arbeitsgruppe der Kriminologischen Dienste, 2014)

Psychotherapeutische Behandlungsmaßnahmen: Bedarf, Beginn, Abbruch, Zielerreichung (N = 478)

Abbildung 5.16: Psychotherapeutische Behandlungsmaßnahmen: Bedarf, Beginn, Abbruch, Zielerreichung (N = 478)

Für ca. jeden fünften JSG wird ein Bedarf an Psychotherapeutischer Behandlung gesehen (Abbildung 5.16). Eine solche wird aber selten begonnen.

Psychotherapeutische Behandlungsmaßnahmen: Bedarf, Beginn, Abbruch, Zielerreichung über die Zeit (N = 1434)

Abbildung 5.17: Psychotherapeutische Behandlungsmaßnahmen: Bedarf, Beginn, Abbruch, Zielerreichung über die Zeit (N = 1434)

Psychotherapeutische Behandlungsmaßnahmen: Anteile von Bedarf, Beginn, Abbruch, Zielerreichung über die Zeit (N = 1434)

Abbildung 5.18: Psychotherapeutische Behandlungsmaßnahmen: Anteile von Bedarf, Beginn, Abbruch, Zielerreichung über die Zeit (N = 1434)

Auch hier bedeuten die niedrigen Fallzahlen pro Jahr (Abbildung 5.17), dass Anteile (Abbildung 5.18) nur ungenau zu schätzen sind.

Der Bedarf an psychotherapeutischer Behandlung ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Ein Psychotherapieangebot an die JSG ist wegen der benötigten approbierten Psychotherapeut:innen sowie der benötigten Zeit (bei zum Teil vergleichsweise kurzer Haftdauer) eine enorme Herausforderung – die bisher offenbar nicht umfänglich geleistet werden kann.

5.2 Nichtbeginn und Abbruch von Maßnahmen

Tabelle 5.1: Gründe für Nichtbeginn von Maßnahmen trotz Bedarfs (Austritte der Jahre 2020 bis 2024, mind. 6 Monate JS in der JSA, JSG mit Bedarf im jeweiligen Modul)
Maßnahme- kategorie Anz. Bedarf
Gründe für Nichtbeginn
Gef. lehnt Teilnahme ab Gef. ist zur Mitarbeit ungeeignet Maßnahme wird nicht angeboten Maßnahme- kapazität erschöpft Strafzeit zu kurz aus terminl. Gründen aus anderen Gründen keine Angabe möglich (fehlt)
Soziale Trainingsmaßn. 358 15 15 8 1 6 11 36 13 1
Anti-Gewalt-/Anti-Aggressionstraining 266 13 15 2 2 4 4 33 7 2
Andere delikt-/ problembezogene Behandlungsmaß. 430 15 17 3 4 6 15 7 2
Schuldnerberatung/ Schuldenregulierung 195 8 2 2 16 9
Sozialtherap. Behandlung 66 3 2 38 5 10 1
Psychotherap. Behandlungsmaß. 98 1 3 53 22 7


Tabelle 5.1 stellt für verschiedene Behandlungsmaßnahmen dar, warum JSG sie trotz Bedarfs nicht begonnen haben.

Sozialtherapie und Psychotherapie wurden beziehungsweise werden nicht beziehungsweise selten angeboten. (Seit 2024 existiert in der JSA wieder eine Sozialtherapeutische Abteilung.) Darüber hinaus stechen keine Gründe quantitativ besonders hervor.

Tabelle 5.2: Gründe für Abbruch von Maßnahmen (Austritte der Jahre 2020 bis 2024, mind. 6 Monate JS in der JSA, JSG mit begonnener Teilnahme im jeweiligen Modul)
Maßnahme- kategorie Anz. Begonnen
Gründe für Abbruch
auf Wunsch d. Gef. wegen mangelnder Eignung d. Gef. aus disziplinarischen Gründen wg. Verlegung in andere JVA wg. Entlassung aus sonstigen Gründen keine Angabe möglich
Soziale Trainingsmaßn. 252 7 2 2 5 3 1
Anti-Gewalt-/Anti-Aggressionstraining 184 7 1 2 3 1 1
Andere delikt-/ problembezogene Behandlungsmaß. 362 9 1 1 7 6 4 3
Schuldnerberatung/ Schuldenregulierung 162 2 1 3 14 3 5
Sozialtherap. Behandlung 8 1 1 1
Psychotherap. Behandlungsmaß. 12 1 1


Tabelle 5.2 listet die Häufigkeit verschiedener Gründe für Abbrüche von Behandlungsmaßnahmen. Abbrüche sind insgesamt selten und geschehen aus ganz verschiedenen Gründen.

5.3 Zielerreichung

Tabelle 5.3: Ausmaß der Zielerreichung von Maßnahmen (Austritte der Jahre 2020 bis 2024, mind. 6 Monate JS in der JSA, JSG mit abgeschlossener Teilnahme im jeweiligen Modul)
Maßnahme- kategorie Anz. abgeschlossen
Ausmaß der Zielerreichung
gar nicht nur ansatzweise annähernd vollständig keine Angabe möglich (fehlt)
Soziale Trainingsmaßn. 232 2 47 85 95 3
Anti-Gewalt-/Anti-Aggressionstraining 169 2 25 61 75 6
Andere delikt-/ problembezogene Behandlungsmaß. 331 1 67 130 125 7 1
Schuldnerberatung/ Schuldenregulierung 134 1 25 64 24 19 1
Sozialtherap. Behandlung 5 1 1 1 2
Psychotherap. Behandlungsmaß. 10 3 5 1 1


Die Ziele der Behandlungsmaßnahmen werden nach Einschätzung der Fachdienste meist „annähernd“ oder „vollständig“ erreicht (Tabelle 5.3). Dass sie „gar nicht“ erreicht werden, ist äußerst selten.

Kritisch muss dabei die Art der Datenerhebung berücksichtigt werden: Es handelt sich um Bewertungen der eigenen Arbeit der Fachdienste beziehungsweise der Kolleg:innen; die durchaus verzerrt sein können.

5.4 Mitarbeit

Im Rahmen der ersten Vollzugsplanung und im Abgangsbogen schätzt der Sozialdienst die Mitarbeit der JSG ein. Abbildung 5.19 zeigt die Häufigkeiten verschiedener Ausprägungen der Einschätzungen, wie sehr sich der JSG mit der Straftat auseinandersetzt.

Auseinandersetzung der JSG mit der Straftat

Abbildung 5.19: Auseinandersetzung der JSG mit der Straftat

Die meisten JSG setzen sich laut der Einschätzung des Sozialdienstes bei der ersten Vollzugsplanung „allenfalls ansatzweise“ oder „annähernd“ mit ihrer Straftat auseinander. Die äußeren Pole „gar nicht“ und „vollständig“ werden bei der ersten Einschätzung selten verwendet. Bei Austritt der JSG aus dem Jugendstrafvollzug ist die Einschätzung positiver, wenngleich sich noch immer über 40 % der JSG „gar nicht“ oder „allenfalls ansatzweise“ ernsthaft mit den Straftaten auseinandersetzen.

Für Abbildung 5.20, die den Verlauf über die Jahre zeigt, werden die beiden niedrigen und die beiden höheren Stufen jeweils zu „nein“ beziehungsweise „ja“ zusammengefasst.

Auseinandersetzung der JSG mit der Straftat über die Zeit (N = 1392, zzgl. NA = 42)

Abbildung 5.20: Auseinandersetzung der JSG mit der Straftat über die Zeit (N = 1392, zzgl. NA = 42)

2017 und 2022 fällt der Anteil der JSG, die negativer eingeschätzt werden, stärker ab als der Anteil der JSG, der positiver eingeschätzt wird. Die Anteile schwanken insgesamt recht stark, sodass keine klare Tendenz erkennbar ist.

Abbildung 5.21 zeigt die Einschätzung, wie sehr der JSG aktiv an der Erreichung des Vollzugsziels mitarbeitet.

Aktive Mitarbeit der JSG an der Erreichung des Vollzugszieles (N = 425, zzgl. NA = 53)

Abbildung 5.21: Aktive Mitarbeit der JSG an der Erreichung des Vollzugszieles (N = 425, zzgl. NA = 53)

Die Einschätzung, ob die JSG aktiv am Vollzugsziel mitarbeiten, ist etwas positiver als bei obiger Frage. Für die Mehrzahl der JSG wird die Aussage als „annähernd“ oder „vollständig“ zutreffend eingeschätzt.

Mitarbeit der JSG an der Erreichung des Vollzugszieles über die Zeit (N = 1739)

Abbildung 5.22: Mitarbeit der JSG an der Erreichung des Vollzugszieles über die Zeit (N = 1739)

Zwischen 2014 und 2015 zeigt sich eine plötzliche Veränderung der Einschätzung (Abbildung 5.22). Seit 2015 wird häufiger eine positive Mitarbeit eingeschätzt. Eine Ursache für die veränderte Beurteilung ist nicht bekannt.

5.5 Modulare Behandlung

Im Jahr 2015 wurde in der JSA – nicht zuletzt aufgrund der Ergebnisse in Daten & Dialog Nr. 2 zum Bedarf an und der Versorgung mit Behandlungsmaßnahmen – die „Modulare Behandlung“ eingeführt. (Diese Bezeichnung hat sich im sächsischen Justizvollzug schnell etabliert. Wir verwenden sie im Folgenden als Eigenname, der das konkrete Konzept im sächsischen Jugendstrafvollzug bezeichnen soll.) Die Modularisierung von Interventionsangeboten soll zu mehr Behandlung insbesondere von JSG mit kürzeren Haftdauern sowie zu einer höheren Passung der Interventionen zu den individuellen kriminogenen Faktoren der JSG beitragen. Die Modulare Behandlung umfasst folgende Teile:

  • Module sind spezifische Interventionsbereiche, die sich in der Regel auf konkrete kriminogene Aspekte beziehen, die unter JSG häufiger zu finden sind (z. B. „Lebensperspektiven“ oder „Straftatrelevante Werte/Normen/Moral“). Für jedes Modul ist ein Manual für die Durchführung von Gruppenmaßnahmen, die auf Veränderung im jeweiligen kriminogenen Aspekt abzielen, formuliert. Um auch dem Interventionsbedarf von JSG mit kürzeren Haftstrafen gerecht zu werden, sind die Gruppenmaßnahmen in der Regel mit einem Umfang von ca. 10 Sitzungen konzipiert. Die Spezifität der Module ist entscheidend für die Passung der Interventionen zu den individuellen kriminogenen Faktoren der JSG. So wurden beispielsweise statt eines Moduls „Gewalt/Aggressivität“ differenziertere Module entwickelt, unter anderen „Gewalt/Aggressivität: Dissoziale Haltung und Kognitionen“ und „Gewalt/Aggressivität: Impulsivität“.
  • Für jeden JSG werden individuell auf diese Module bezogene Bedarfe dokumentiert. Dabei wird zwischen „zwingend erforderlichen“ und „empfohlenen“ Interventionen unterschieden, um sie anhand der individuellen kriminogenen Faktoren zu priorisieren.
  • Konkrete Durchführungen von Gruppenmaßnahmen nach den Manualen der Module werden abteilungsübergreifend angeboten. Die Manuale enthalten altersentsprechende Materialien und Methoden.
  • In einem eigens entwickelten Dokumentationssystem im Intranet werden durch Mitarbeitende der JSA und externe Träger Bedarfe, Gruppenmaßnahmen, die Teilnahme der JSG an diesen sowie Einschätzungen der Interventionsergebnisse dokumentiert. Die Leitung der Gruppenmaßnahmen kann Listen der JSG mit einem bestimmten Bedarf (das heißt bezogen auf ein bestimmtes Modul) einsehen, um Gruppenmaßnahmen zu planen und Teilnehmer zu finden.

Die Behandlungsziele einiger Module sind in Anhang A beschrieben.

Die Modulare Behandlung umfasst Angebote des Sozialdienstes, des Psychologischen Dientes, der Suchtberatung, bestimmte Gruppenmaßnahmen der Kunsttherapie sowie einige Angebote externer Träger. Andere Gruppenmaßnahmen, etwa der Schuldnerberatung oder im Bereich Ausbildung, sowie Angebote im Einzelsetting werden nicht im Rahmen der Modularen Behandlung dokumentiert und sind somit nicht Gegenstand der folgenden Betrachtungen.

Im Folgenden soll ein Überblick über die Implementierung der Modularen Behandlung ermöglicht werden. Zu berücksichtigen ist, dass die Modulare Behandlung keine statische Struktur ist: Während die Ziele der einzelnen Module unverändert bleiben, werden die angewandten Methoden bisweilen angepasst.

5.5.1 Datengrundlage und Definitionen

Betrachtet werden im Folgenden nur diejenigen Module, die in den letzten 5 Jahren im System formuliert waren2, und nur solche Gruppenmaßnahmen, für die mindestens drei Teilnehmer und mindestens drei Termine dokumentiert sind.

Um die „Gesamtleistung“ der Modularen Behandlung darzustellen, gehen in die Zählung der Teilnehmer aller Gruppenmaßnahmen der verschiedenen Module neben den JSG auch nach Erwachsenenstrafrecht Verurteilte, die in der JSA untergebracht sind, ein. Ansonsten beziehen sich die Analysen nur auf JSG, damit tatsächlich der Jugendstrafvollzug Gegenstand der Evaluation ist. Dadurch bleiben Teile dessen, was im Rahmen der Modularen Behandlung geschieht (z. B. Abbrüche von Maßnahmen bei nach Erwachsenenstrafrecht Verurteilten), hier unsichtbar.

Neben datenbasierten Ergebnissen werden in den folgenden Abschnitten auch einige Besonderheiten aus der Praxis der Modularen Behandlung beschrieben. Hierzu gab uns die Leiterin des Psycho-Sozialen Dienstes der JSA Auskunft.

5.5.2 Prävalenz von Bedarfen an verschiedenen Modulen

Tabelle 5.4 zeigt in der ersten Zahlenspalten, für welchen Anteil der JSG die Bedarfserhebung ausgefüllt wurde. Ein Bedarf für das „Starter“-Modul, das psychoedukativ auf die Haftzeit vorbereiten soll, sowie das Modul „Entlassungsvorbereitung und Perspektive“ wird vom Dokumentationssystem automatisch angenommen (kann aber manuell entfernt werden). Für die anderen Module liegt in immerhin über 10 % der JSG keine Einschätzung zum Bedarf vor; dies sind vermutlich vor allem JSG mit kurzen (Rest-)Jugendstrafen.

Tabelle 5.4: Anteil der JSG, für die ein Bedarf im jeweiligen Modul eingeschätzt wurde (Austritte der Jahre 2020 bis 2024, N = 662)
Modul Einschätzung
vorhanden
davon
zwingend
erforderlich
empfohlen
Starter 93,4 % 97,1 % 0,0 %
Gewalt/Aggressivität: Impulsivität 82,6 % 6,8 % 1,8 %
Gewalt/Aggressivität: Dissoziale Haltung und Kognitionen 82,6 % 48,6 % 3,1 %
Gewalt/Aggressivität: Gruppendynamik 82,8 % 0,4 % 0,0 %
Gewalt/Aggressivität: Männlichkeit und Aggression 82,2 % 13,4 % 2,4 %
Straftatrelevante Werte/Normen/Moral 82,8 % 27,0 % 1,3 %
Sexuell abweichendes Verhalten 82,8 % 2,4 % 0,2 %
Diskrepanz zwischen Ist und Soll-Zustand 82,8 % 3,3 % 1,1 %
Lebensperspektiven 82,8 % 9,7 % 44,5 %
Grundfertigkeiten zur allgemeinen Lebensbewältigung 82,8 % 3,6 % 21,9 %
Identitätsentwicklung („Mann-sein“) 82,9 % 16,8 % 16,4 %
Seelische Gesundheit 82,8 % 1,1 % 3,8 %
Entlassungsvorbereitung und Perspektive 92,1 % 11,1 % 72,1 %
Suchtmittel: Suchtinfoseminar der externen Suchtberatung 82,6 % 19,9 % 5,1 %
Suchtmittel: Glücksspielfrei 82,8 % 0,5 % 0,5 %
Suchtmittel: CAN Stop 82,6 % 1,5 % 9,7 %
Suchtmittel: Kein Alkohol ist auch (k)eine Lösung?! 82,5 % 7,5 % 2,0 %
Suchtmittel: Suchtgruppe Drogen 82,8 % 26,3 % 2,0 %
Suchtmittel: Kritische Konsumreflexion d. ext. Suchtberatung 82,2 % 9,6 % 2,2 %
Suchtmittel: Infoseminar mit Dolmetscher der externen Suchtberatung 82,6 % 3,5 % 0,9 %

Die hinteren Spalten geben an, für welchen Anteil derjenigen JSG, für die eine Dokumentation vorliegt, ein Bedarf am jeweiligen Modul dokumentiert wurde. Wie im Dokumentationssystem wird hier zwischen zwingend erforderlichen und empfohlenen Bedarfen unterschieden. An der „Startergruppe“ und am Modul „Entlassungsvorbereitung und Perspektive“ sollen fast alle JSG teilnehmen. Weitere Module, an denen vergleichsweise viele JSG einen Bedarf haben, sind „Lebensperspektiven“, „Gewalt/Aggression: Dissoziale Haltung und Kognitionen“, „Straftatrelevante Werte/Normen/Moral“, „Identitätsentwicklung (‚Mann-sein‘)“ sowie das Infoseminar der externen Suchtberatung und die „Suchtgruppe Drogen“. Für andere Module wird ein Bedarf für vergleichsweise wenige JSG festgestellt.

Für deutlich weniger als 5 % der JSG wird ein Bedarf an den Modulen „Gewalt/Aggressivität: Gruppendynamik“, „Sexuell abweichendes Verhalten“ und „Suchtmittel: Glücksspielfrei“ eingeschätzt. Entweder handelt es sich hier um sehr spezifische Bedarfe, die auf nur wenige JSG zutreffen, oder tatsächlich vorhandene Bedarfe werden nicht im Rahmen der Modularen Behandlung dokumentiert, da sie durch andere (z. B. Einzel-)Maßnahmen gedeckt werden. Wenn an bestimmten Modulen nur wenige JSG Bedarf haben und die Haftzeiten dieser JSG sich nicht günstig überlappen, ist es besonders schwierig, für sie Gruppenmaßnahmen anzubieten.

Abbildung 5.23 zeigt, wie viele Bedarfe (a) insgesamt beziehungsweise (b) als zwingend erforderlich für wie viele JSG dokumentiert wurden.

Anzahl der Bedarfe pro JSG (N = 617, zzgl. NA = 45)

Abbildung 5.23: Anzahl der Bedarfe pro JSG (N = 617, zzgl. NA = 45)

Für die meisten JSG werden Bedarfe an 4 bis 6 Modulen dokumentiert. Als zwingend erforderliche Bedarfe werden ganz überwiegend 2 oder 3 Module (inkl. Startergruppe) dokumentiert.

5.5.3 Durchführung von Gruppenmaßnahmen

Tabelle 5.5 führt die Anzahl der Gruppenmaßnahmen, die in den letzten Jahren durchgeführt wurden, auf, sowie die Anzahl der Teilnehmer. Dabei werden JSG und nach Erwachsenenstrafrecht Verurteilte betrachtet.

Tabelle 5.5: Anzahl der Gruppen und Teilnehmer (JSG und nach Erwachsenenstrafrecht Inhaftierte) im jeweiligen Modul in den letzten 5 Jahren
Modul Anz. Gruppen Anz. Teilnehmer
Starter 47 360
Gewalt/Aggressivität: Impulsivität 5 30
Gewalt/Aggressivität: Dissoziale Haltung und Kognitionen 38 280
Gewalt/Aggressivität: Gruppendynamik
Gewalt/Aggressivität: Männlichkeit und Aggression 7 52
Straftatrelevante Werte/Normen/Moral 11 88
Sexuell abweichendes Verhalten 2 19
Diskrepanz zwischen Ist und Soll-Zustand 1 7
Lebensperspektiven 9 65
Grundfertigkeiten zur allgemeinen Lebensbewältigung 4 28
Identitätsentwicklung („Mann-sein“) 14 101
Seelische Gesundheit 2 10
Entlassungsvorbereitung und Perspektive
Suchtmittel: Suchtinfoseminar der externen Suchtberatung 11 89
Suchtmittel: Glücksspielfrei
Suchtmittel: CAN Stop 4 34
Suchtmittel: Kein Alkohol ist auch (k)eine Lösung?! 5 36
Suchtmittel: Suchtgruppe Drogen 12 99
Suchtmittel: Kritische Konsumreflexion d. ext. Suchtberatung 5 32
Suchtmittel: Infoseminar mit Dolmetscher der externen Suchtberatung 1 5
Summe 178 1335

Die mit Abstand am häufigsten durchgeführte Gruppenmaßnahme ist die „Startergruppe“. Aber auch zu einigen weiteren Modulen fanden zahlreiche Gruppen statt. Um die Zahlen etwas zu veranschaulichen: Wenn beispielsweise eine Gruppenmaßnahme in einem Jahr 6 mal stattfindet, dann heißt das, dass im Durchschnitt alle 2 Monate eine Gruppenmaßnahme beginnt beziehungsweise endet. Wenn eine solche Gruppenmaßnahme beispielsweise über anderthalb Monate läuft, so findet sie durchschnittlich zu drei Vierteln der Zeit statt. Kurzum: Auch hinter kleineren Zahlen stehen zeitlich und personell hohe Aufwendungen.

Zu einigen Modulen fanden nur vereinzelt oder gar keine Gruppenmaßnahme statt. Die Entlassungsvorbereitung etwa findet in den letzten Jahren durch Einzelbetreuung statt, unter anderem weil die Entlassungszeitpunkte der JSG längerfristig schwer vorhersehbar sind und somit Gruppen kaum sinnvoll zusammengestellt werden können. Im Bereich „Seelische Gesundheit“ sind die Problemlagen der JSG so unterschiedlich, dass auch hier Bedarfe eher im Einzelsetting als durch Gruppenmaßnahmen gedeckt werden. Auch andere Themen werden häufiger im Einzelsetting bearbeitet, weil die Bedarfe für die Zusammenstellung einer Gruppe zu selten sind. Ein weiterer Grund dafür, dass bestimmte Gruppenmaßnahmen selten durchgeführt werden (z. B. im Modul „Grundfertigkeiten zur allgemeinen Lebensbewältigung“), ist, dass Bedarfe selten als zwingend erforderlich eingeschätzt werden, die betreffenden JSG also weitere, dringender zu bearbeitende Bedarfe aufweisen. Sicherlich sind auch vollzugsorganisatorische und personelle Gründe als limitierende Faktoren relevant.

In den vergangenen 5 Jahren wurden 1.335 Teilnahmen – das entspricht pro Jahr durchschnittlich ca. 267 Teilnahmen – von JSG oder nach Erwachsenenstrafrecht Verurteilten dokumentiert. In diese Summe der Teilnehmer gehen Inhaftierte mehrfach ein, wenn sie an mehreren Gruppenmaßnahmen teilgenommen haben. Hinzu kommen die hier nicht dokumentierten Einzelmaßnahmen und Maßnahmen, die nicht im Rahmen der Modularen Behandlung stattfinden (z. B. Ausbildung oder Freizeitmaßnahmen).

Abbildung 5.24 zeigt die Anzahl der Module, an denen die JSG teilnahmen.

Anzahl der Teilnahmen an Gruppenmaßnahmen im Rahmen der Modularen Behandlung pro JSG (N = 662)

Abbildung 5.24: Anzahl der Teilnahmen an Gruppenmaßnahmen im Rahmen der Modularen Behandlung pro JSG (N = 662)

Viele JSG nehmen an keiner oder bis zu 3 Gruppenmaßnahmen teil. Einzelne JSG hingegen haben bis zu 7 Gruppenmaßnahmen begonnen.

Die Anzahl der Teilnahmen ist durchschnittlich kleiner als die Anzahl der Bedarfe. Allein daraus lässt sich allerdings nicht ableiten, dass zu wenige Gruppenmaßnahmen vorgehalten werden. Wie bereits erwähnt, können Teilnahmen beispielsweise auch dadurch, dass Bedarfe im Einzelsetting (statt im Gruppensetting) gedeckt werden, geringer sein, oder dadurch, dass Haftzeiten nicht für die Teilnahme an allen empfohlenen Gruppenmaßnahmen ausreichen (siehe den Abschnitt 5.2).

5.5.4 Abbruch von Behandlungsmaßnahmen

Tabelle 5.6 zeigt – wieder für JSG und nach Erwachsenenstrafrecht Verurteilte –, wie viele Teilnehmer von Gruppenmaßnahmen (a) die Teilnahme regulär beendeten, (b) nur zu einem Termin anwesend waren beziehungsweise (c) die Teilnahme abgebrochen haben.

Die Teilnahme eines Inhaftierten an einer Gruppenmaßnahme gilt als abgebrochen, wenn der Inhaftierte laut Dokumentation bei den letzten beiden Terminen der Gruppenmaßnahme nicht anwesend war. Wenn der Inhaftierte allerdings überhaupt an nur einem Termin teilgenommen hat, zählt dies nicht als Abbruch; hier ist eher davon auszugehen, dass der Inhaftierte – nach einem ersten Eindruck – gar nicht an der Gruppenmaßnahme teilgenommen hat.

Tabelle 5.6: Anzahl der in den letzten 5 Jahren abgeschlossenen Gruppenmaßnahmen (JSG und nach Erwachsenenstrafrecht Inhaftierte; mehrere Teilnahmen (TN) pro Inhaftierten möglich)
Modul TN
reguläre TN
1x anwes.
Abbruch
Anz. Ant. Anz. Ant. Anz. Ant.
Starter 360 338 93,9 % 2 0,6 % 20 5,6 %
Gewalt/Aggressivität: Impulsivität 30 23 76,7 % 7 23,3 %
Gewalt/Aggressivität: Dissoziale Haltung und Kognitionen 280 222 79,3 % 5 1,8 % 53 18,9 %
Gewalt/Aggressivität: Männlichkeit und Aggression 52 46 88,5 % 1 1,9 % 5 9,6 %
Straftatrelevante Werte/Normen/Moral 88 83 94,3 % 2 2,3 % 3 3,4 %
Sexuell abweichendes Verhalten 19 12 63,2 % 4 21,1 % 3 15,8 %
Diskrepanz zwischen Ist und Soll-Zustand 7 7 100,0 %
Lebensperspektiven 65 58 89,2 % 2 3,1 % 5 7,7 %
Grundfertigkeiten zur allgemeinen Lebensbewältigung 28 20 71,4 % 3 10,7 % 5 17,9 %
Identitätsentwicklung („Mann-sein“) 101 87 86,1 % 6 5,9 % 8 7,9 %
Seelische Gesundheit 10 8 80,0 % 1 10,0 % 1 10,0 %
Suchtmittel: Suchtinfoseminar der externen Suchtberatung 89 80 89,9 % 7 7,9 % 2 2,2 %
Suchtmittel: CAN Stop 34 32 94,1 % 2 5,9 %
Suchtmittel: Kein Alkohol ist auch (k)eine Lösung?! 36 32 88,9 % 4 11,1 %
Suchtmittel: Suchtgruppe Drogen 99 86 86,9 % 13 13,1 %
Suchtmittel: Kritische Konsumreflexion d. ext. Suchtberatung 32 27 84,4 % 3 9,4 % 2 6,2 %
Suchtmittel: Infoseminar mit Dolmetscher der externen Suchtberatung 5 5 100,0 %
Summe 1335 1166 87,3 % 36 2,7 % 133 10,0 %

Alle Module zusammengenommen und über die vergangenen 5 Jahre hinweg werden 10 % der Teilnahmen an Gruppenmaßnahmen abgebrochen. Gründe für Abbrüche können ganz verschieden sein: Der JSG kann abbrechen, die Leitung der Gruppenmaßnahme kann die weitere Teilnahme eines JSG untersagen oder die Teilnahme ist etwa wegen einer Verlegung oder Entlassung nicht mehr möglich.

Die meisten Teilnehmer beenden die Teilnahme regulär.

Dass einige JSG nur zu einem Termin der Gruppenmaßnahme anwesend sind, mag auf geringe Motivation einiger JSG und damit auf ein wichtiges Problem der Intervention im Jugendstrafvollzug hindeuten. Die Zahlen können auch dadurch erhöht sein, dass gering motivierte JSG nicht von vornherein ausgeschlossen werden, sondern eingeladen werden, sich selbst ein Bild zu machen und dann zu entscheiden, ob sie weiter teilnehmen möchten. Eine solche Kultur des transparenten und die Autonomie der Teilnehmer würdigenden Behandlungsangebots wäre positiv zu bewerten – wenn sie einher geht mit einer kontinuierlichen Arbeit auch mit den JSG, die sich gegen eine Teilnahme entscheiden (etwa im Einzelsetting).

Zusammenfassung

  • JSG sollten Behandlungsangebote gemacht werden, die ihre individuellen kriminogenen Faktoren adressieren. Neben der qualitativen Differenzierung ist auch die quantitativ ausreichende Versorgung durch genügend Behandlungsmaßnahmen wesentlich für die Behandlung der kriminogenen Faktoren.
  • Im Beobachtungszeitraum haben Angebote an Sozialtherapie und Psychotherapie gefehlt. Beide Interventionen sind besonders personalintensiv bei vergleichsweise wenigen JSG mit einem Bedarf. Seit 2024 ist in der JSA wieder eine Sozialtherapeutische Abteilung eingerichtet.
  • Mit der Einführung der Modularen Behandlung wurde das Angebot an Gruppenmaßnahmen differenziert und stärker an spezifischen kriminogenen Problematiken ausgerichtet.
  • Für die meisten JSG werden mehrere Bedarfe dokumentiert und die meisten JSG nehmen an einer oder mehreren Gruppenmaßnahmen teil. Die Abbruchsquote liegt bei ca. 10 %.

References

Bonta, J., & Andrews, D. A. (2024). The Psychology of Criminal Conduct (7. Aufl.). Routledge. https://doi.org/10.4324/9781003292128
Länderübergreifende Arbeitsgruppe der Kriminologischen Dienste. (2014). Evaluation des Jugendstrafvollzuges. Ausfüllanleitung für die Falldatenerhebung.

  1. Nicht berücksichtigt werden damit einige in den Jahren 2015 bis 2016 bzw. bis 2017 auf der Motivationsstation für JSG mit Suchtmittelproblematik angebotene Gruppenmaßnahmen und das Ende 2023 eingeführte Modul „Vater sein“.↩︎