1 Über diese Plattform
1.1 Ziele und Hintergrund
Mit dieser Online-Veröffentlichung soll der sächsische Jugendstrafvollzug anhand quantitativer Daten beschrieben und Ergebnisse aus der Evaluation desselben übersichtlich dargestellt werden.
Die ersten Kurzberichte in unserer Reihe „Daten & Dialog“ zur Evaluation des Jugendstrafvollzugs in Sachsen basieren auf Daten, die vor mehr als 10 Jahren erhoben wurden. Gelten die Befunde heute noch? Hat sich die Population der Jugendstrafgefangenen (JSG) über die Zeit verändert? Verändert sich die Rückfallrate? Ein Ziel dieser Online-Veröffentlichung ist, die Ergebnisse unserer Auswertungen aktualisiert verfügbar zu machen. Darüber hinaus bietet sich durch die Erhebung einiger Daten über einen längeren Zeitraum die Möglichkeit, Merkmalsausprägungen im Zeitverlauf darzustellen. Auch dies leistet diese Plattform.
Wir beabsichtigen, diese Online-Veröffentlichung in unregelmäßigen Abständen anhand neu hinzugekommener Daten zu aktualisieren und durch zusätzliche Auswertungen inhaltlich zu erweitern.
1.2 Verwendete Abkürzungen
- Anz.: Anzahl
- FS: Freiheitsstrafe
- JS: Jugendstrafe
- JSA: Jugendstrafvollzugsanstalt Regis-Breitingen
- JSG: Jugendstrafgefangene, d. h. Inhaftierte, die eine Jugendstrafe verbüßen.
- N: Größe der Gesamtstichprobe
- n: Größe der Teilstichprobe
- NA: „nicht angegeben“ oder „not available“, d. h. die Anzahl der Inhaftierten oder anderer Beobachtungseinheiten, für die bestimmte Daten nicht vorliegen
- VZÄ: Vollzeitäquivalente
- VZP: Vollzugs- und Eingliederungsplanung
1.3 Datenquellen und Datenvollständigkeit
In die Auswertungen gehen (wenn nicht explizit anders angegeben) nur männliche JSG ein. Als JSG gelten hier Inhaftierte, die mindestens einen Teil einer Jugendstrafe in der Jugendstrafvollzugsanstalt Regis-Breitingen (JSA) – der einzigen Jugendstrafvollzugsanstalt Sachsens – verbüßten. Dort waren und sind auch (über die Zeit unterschiedlich viele) Inhaftierte ohne Jugendstrafe untergebracht (siehe Kapitel Die Jugendstrafvollzugsanstalt).
Im Rahmen der Evaluation des Jugendstrafvollzugs werden Daten durch verschiedene IT-Systeme und Erhebungsbögen erhoben:
- Alle Zugänge in die JSA werden in ein EDV-System eingetragen. Dadurch stehen Basisdaten über die JSG (z. B. Alter, Delikte, Datum des Beginns/Endes der Jugendstrafe) vollständig zur Verfügung.
- Von Fachdiensten erhobene Daten:
- Der Bogen zur ersten Vollzugsplanung enthält Fragen zur Vorgeschichte des JSG (z. B. Schulabschluss) und eine fachdienstliche Einschätzung (z. B. zur Mitarbeit und zum Vorliegen einer Suchtmittelproblematik).
- Im Bogen zu Behandlungsmaßnahmen wird von den Fachdiensten für verschiedene Arten von Behandlungsmaßnahmen dokumentiert, ob ein Bedarf vorliegt, ob eine Maßnahme begonnen wurde, ob sie abgebrochen wurde, ob die Ziele erreicht wurden, und ob eine Folgemaßnahme nach der Entlassung beabsichtigt ist.
- Der Bogen zum Ende der Jugendstrafe umfasst Einschätzungen der Fachdienste beim Ende der Jugendstrafe sowie Angaben zu Lockerungen während der Haft und zur Entlassungssituation.
- Das Online-Behandlungsmanagementsystem dient den Fachdiensten zur Organisation von Gruppenmaßnahmen. Sie dokumentieren dort neben Bedarfen, Teilnahmen und Zielerreichung beispielsweise auch, warum gegebenenfalls eine bestimmte Maßnahme nicht begonnen wurde.
- Von JSG erhobene Daten (Selbstauskunft):
- Der Zugangsfragebogen erfragt von den JSG selbst zahlreiche Angaben, u. a. zum Werdegang, zu sozialer Unterstützung, zum Erziehungsverhalten der Eltern, zum Suchtmittelkonsum und zu bestehenden Problemen.
- Im Austrittsfragebogen können die JSG Erfahrungen während der Haft beschreiben, Angebote der JSA bewerten und ihre Entlassungssituation einschätzen.
- Über Auskünfte aus dem Bundeszentralregister wird die Rückfälligkeit nach der Entlassung gemessen.
Die meisten Items aus den von den Fachdiensten ausgefüllten Bögen stammen aus einem Erhebungsinstrument, das die bundesländerübergreifende Arbeitsgruppe zur Evaluation des Jugendstrafvollzugs entwickelt hat (Länderübergreifende Arbeitsgruppe der Kriminologischen Dienste, 2014).
In die meisten Analysen gehen nur JSG ein, die mindestens sechs Monate Jugendstrafe in der JSA verbüßten. Für Inhaftierte mit kürzeren Jugendstrafen werden viele Daten nicht erhoben, weil hier den Bemühungen um Resozialisierung enge zeitliche Grenzen gesetzt sind.
Während Veränderungen über die Zeit für viele Jahre dargestellt werden, beschränken sich andere Ergebnisse in der Regel auf die (zum Zeitpunkt der letzten Aktualisierung dieser Plattform) letzten fünf vergangenen Kalenderjahre, um möglichst aktuelle Daten zu präsentieren und somit den aktuellen Jugendstrafvollzug darzustellen.
Dabei werden, je nach Fragestellung, die „Zugänge“ oder die „Austritte“ der letzten fünf Jahre betrachtet. Zugang meint hier den ersten Tag der Jugendstrafe in der JSA; dies kann das Datum des Zugangs in die JSA sein (wenn sich der JSG dort zum Strafantritt stellt oder wenn die Jugendstrafe in einer anderen JVA begann) oder der Beginn der Jugendstrafe nach einer Untersuchungshaft (die auch bereits in der JSA verbüßt worden sein kann). Austritt meint hier das Datum des Verlassens der JSA, den letzten Tag der Jugendstrafe, bevor der Inhaftierte eine andere Strafe verbüßt, oder das Datum der Ausnahme aus dem Jugendstrafvollzug nach § 89b JGG.
Abbildung 1.1 zeigt verschiedene Stichproben und welchen Anteil sie an allen JSG bilden.
Abbildung 1.1: Stichproben und Anteile (Zugänge von Anfang 2011 bis Ende 2024, Jugendstrafe geendet; N = 2419)
In die Stichproben können einzelne Personen mehrfach eingehen, wenn sie im betrachteten Zeitraum mehrfach in der JSA inhaftiert waren. Mit JSG bzw. Inhaftierten sind also nicht Personen, sondern Inhaftierungen von Personen gemeint.
Tabelle 1.1 zeigt, für wie viele JSG verschiedene Datenquellen vorliegen – einmal für alle JSG mit einer Jugendstrafe von mindestens sechs Monaten und einmal für solche JSG, deren Jugendstrafe in den letzten fünf Jahren endete.
|
mind. 6 Monate JS |
mind. 6 Monate JS,
letzte 5 Jahre |
|||
|---|---|---|---|---|
| Anzahl | Anteil | Anzahl | Anteil | |
| alle JSG | 1629 | 100,0 % | 478 | 100,0 % |
| Bogen zur ersten VZP | 1476 | 90,6 % | 425 | 88,9 % |
| Bogen Maßnahmen | 1602 | 98,3 % | 472 | 98,7 % |
| Abgangsbogen | 1582 | 97,1 % | 471 | 98,5 % |
| Zugangsfragebogen | 1212 | 74,4 % | 223 | 46,7 % |
| Austrittsfragebogen | 895 | 54,9 % | 137 | 28,7 % |
Wie anhand der Daten ersichtlich ist, ist die Rücklaufquote der Fragebögen, die von den JSG ausgefüllt werden sollen, vergleichsweise gering.
Für Diagramme und Tabellen in den folgenden Kapiteln ist in der Regel angegeben, welche Teilstichprobe betrachtet wird und wie viele fehlende Daten vorkommen.
Die folgenden beiden Diagramme zeigen über die Zeit, wie viele Zugangsfragebögen (Abbildung 1.2) bzw. Abgangsfragebögen (Abbildung 1.3) (nicht) vorliegen.
Abbildung 1.2: Vorliegen des Zugangsfragebogens
Abbildung 1.3: Vorliegen des Abgangsfragebogens
An den Diagrammen ist abzulesen, dass die Anzahl der Zugänge insgesamt von 2011 bis 2017 stark sank. Bis 2016 fehlten vergleichsweise wenige Bögen; seit 2017 ist der Rücklauf der Fragebögen, die von den JSG ausgefüllt werden sollen, deutlich geringer. Das liegt möglicherweise an einer Umstellung der Datenerhebung: Bis 2016 wurden die Bögen von den JSG an einem Laptop ausgefüllt und die JSG wurden von (meist weiblichen) studentischen Honorarkräften direkt angesprochen und um das Ausfüllen gebeten. Seit 2017 wird hingegen ein Papierbogen von Bediensteten ausgegeben.
Die Auswertungen, die sich auf Daten aus den Fragebögen, die von den JSG ausgefüllt werden, beziehen, sind mit großer Vorsicht zu interpretieren. Denn anzunehmen ist, dass sich JSG, die ausgefüllte Fragebögen abgeben, systematisch von denjenigen JSG, die dies nicht tun, unterscheiden. Mit anderen Worten: Die vorliegenden Antworten der JSG sind nicht repräsentativ für alle JSG.
1.4 Dank
Wir danken recht herzlich allen Kolleg:innen der Fachdienste der JSA für die große Unterstützung der Evaluation durch Ausfüllen von Erhebungsbögen! Ohne diese Datengrundlage wäre eine Evaluation des Jugendstrafvollzugs überhaupt nicht möglich.
Unser Dank gilt auch den Abteilungsdienstleiter:innen der JSA, die regelmäßig Fragebögen an die JSG ausgeben, Bediensteten, die für uns Ausbildungsabschlüsse der JSG dokumentieren, sowie den Mitarbeiterinnen des Vorzimmers, die uns ausgefüllte Datenbögen zuverlässig senden.
Der Anstaltsleitung der JSA danken wir für die immer gute Zusammenarbeit und für den Zugang zum Forschungsfeld.
Ebenso danken wir den (früheren) JSG, die den Zugangs- oder Abgangsfragebogen ausfüllten. Dadurch können hier verschiedene Perspektiven repräsentiert werden.
Den Mitgliedern der bundesländerübergreifenden Arbeitsgruppe der Kriminologischen Dienste, die ab 2008 eine Datenerhebung und später Auswertungsstrategien für die Evaluation des Jugendstrafvollzugs konzipiert haben, gilt unser Dank für eine umfassende Grundlage für die Datenerhebung und Evaluation in Sachsen.
Den Mitarbeitenden des Bundesamts für Justiz danken wir für das Erstellen und das Übersenden von Auskünften aus dem Bundeszentralregister.
Viele der dieser Publikation zugrunde liegenden Auswertungen beruhen auf früheren Auswertungen für einzelne Ausgaben von „Daten & Dialog“. An diesen haben viele damalige studentische Honorarkräfte und Praktikant:innen mitgewirkt: P. Alex, F. Fischer, A. Philipp, K. Spanaus, L. Waldeck und A. Werner. Danke Ihnen allen!
1.5 Hinweise zum Zitieren
Wir empfehlen für diese Online-Veröffentlichung folgende Zitierweise:
Hartenstein, S., Hinz, S., Meischner-Al-Mousawi, M. & Frost, J. (2025). Daten & Dialog online: Ergebnisse aus der Evaluation des Jugendstrafvollzugs in Sachsen. https://forschung-krimd-sachsen.de/jugendstrafvollzug/, abgerufen am TT.MM.JJJJ.
Ersetzen Sie TT.MM.JJJJ durch das Datum des Abrufens.
1.6 Änderungen
- 07.11.2025: Ergänzungen im Anhang
- 02.10.2025: Erste Veröffentlichung.
Zusammenfassung
- Diese Online-Veröffentlichung soll den sächsischen Jugendstrafvollzug anhand quantitativer Daten beschreiben.
- Die Ergebnisse stellen in der Regel Veränderungen im Zeitverlauf und solche über die letzten fünf Kalenderjahre dar.
- Weil von den JSG ausgefüllte Fragebögen bei Weitem nicht von allen JSG vorliegen, ist bei der Interpretation von darauf basierenden Auswertungen besondere Vorsicht notwendig.